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Mcleod Ganj bei Dharamsala, 16. Dezember 2000

Es ist abends halb elf und ich liege beim Schein zweier Kerzen in der kleinen Hütte auf dem Berg. Da es bei der kalten Temperatur auch mit Schlafsack nicht so angenehm ist, war es ganz praktisch, hier zwei saubere Steppdecken und eine strohgefüllte Matte vorzufinden. Durch das kleine Fenster kann ich hinab ins Tal schauen, wo viele kleine Lichter brennen. Hinten in der Hütte ist der Eingang zu einer kleinen Höhle, wo die Wände feucht sind und die Wassertröpfchen glitzern, wenn ich sie anleuchte. Außerdem gibt es eine kleine Feuerstelle mit einem Kessel drauf, der sicher zum Chai kochen gedacht ist.
Eigentlich wollte ich heute morgen um acht hier oben sein, bin aber erst gegen 17 Uhr losgegangen. Da es schon dunkel wurde, bin ich mit der Taschenlampe dem Weg gefolgt. Ich bin auch mal falsch gelaufen, habe aber trotzdem nach 2 1/2 Stunden diese Hütte erreicht. Der Cafe-Besitzer war nicht mehr da, aber zum Glück ist die Tür nicht verschließbar, da sie nur aus einer Decke besteht.
Den ganzen Tag war es bewölkt und ich sah weder Sonne, Mond noch Sterne. Statt bis um 6 schlief ich heute morgen bis um 9 und lag noch eine Stunde wach im Bett. Ich sah mir die Teppigknüpferei an, in der noch alles per Hand gemacht wird. Zum fotografieren mit Blitz schraubte ich meinen UV-Filter ab, damit er am unteren Bildrand keinen Schatten wirft. Blöderweise ließ ich ihn anschließend in der Fabrik liegen. Später traf in der Stadt ich den Typen aus dem Schachladen von gestern. Er fragte mich, ob ich Lust auf eine Runde hätte und wir gingen spielen. Ich stand deutlich im Vorteil, aber ein falscher Zug und alles war vorbei. Mal sehen, vielleicht gewinne ich morgen.
Dann hörte ich mir an einem kleinen Stand verschiedene Musik an, wo ich anschließend eine Kassette und eine CD mit tibetischer Musik für 260 Rs kaufte. Als ich mir die abgeholten Negative anschaute, sah ich lauter Fingerabdrücke drauf und an einigen Stellen Kratzspuren von der Entwicklermaschine. Die Fingerabdrücke kann ich mit Netzmittel wieder wegmachen, aber die Kratzer sind natürlich sehr ärgerlich. Die Aufnahmen gefallen mir ganz gut, aber wie sie richtig wirken, werde ich erst sehen, wenn ich sie in Deutschland auf Fotopapier abziehen lasse.
Als ich weiter durch Mcleod Ganj lief, sah ich eine recht junge Frau in einer rot leuchtenden Mönchskutte. Die Haare waren nur einige Millimeter kurz und die Augen geschminkt. Sie unterhielt sich mit zwei Leuten und hatte eine wahnsinnige Ausstrahlung in ihrem hübchen Gesicht. Ich schaute sie eine Weile lang fasziniert an. Es fiel mir nicht leicht, mich zu überwinden, zu den Leuten hinzugehen und zu fragen, ob ich ein Foto von ihr machen darf. Sie war ziemlich erfreut, daß sie jemand fotografieren will. Leider war es schon dunkel. Ich mußte den Blitz nehmen, den ich nicht so sehr mag, weil er platt wirkt. Sie war überrascht, daß ich sie sogar 2 Fotos gemacht habe. Ich bedankte mich und ging den Weg, der in die Berge führt.
Am liebsten wäre ich umgekehrt und hätte sie gefragt, ob sie Lust hat, mit mir morgen eine Fotosession zu machen und mir ihre Adresse geben lassen, damit ich ihr diese zuschicken kann. Als ich weiterging, kam mir der Gedanke, daß sie sicherlich in dem Nonnenkloster in Mcleod Ganj wohnt und ich ihr die Fotos dort hinschicken kann, doch ich weiß ja nicht einmal, wie sie heißt. Die Frau ist mir irgendwie nicht mehr aus dem Kopf gegangen.



Mcleod Ganj bei Dharamsala, 17. Dezember 2000

Es ist kurz vor zehn. Ich sitze wieder in der Hütte und habe etwas Kopfschmerzen. Heute Abend hatte mir der Cafe-Besitzer, bevor er ging, ein Feuer in der Hütte gemacht. Nach einiger Zeit fing es an zu qualmen, sodaß ich die Tür aufmachen mußte. Trotzdem wurde es immer schlimmer. Im Licht der Taschenlampe sah es hier drin aus, wie in einer stark vernebelten Disco. Ist bescheuert, daß es keinen vernünftigen Abzug gibt. Vielleicht war das Holz auch noch feucht. Ich legte mich auf den Boden, weil dort nicht so viel Qualm war, mußte dann aber rausgehen, weil es in den Augen brannte und ich massig Qualm einatmete. Sogar meine Kerze ist dadurch ausgegangen. Nach einer Weile ging ich mit angehaltener Luft wieder rein, holte die großen Holzstücken mit einer Bratpfanne aus dem Feuer und schmiß sie draußen irgendwo hin. Als nur noch die Glut da war, wurde es wieder erträglich. Hier liegt überall ein wenig Asche rum und ich stinke sicherlich wie ein verkohltes Räuchermännchen. Zwar hatte ich überlegt, noch eine dritte Nacht auf dem Berg zu bleiben, aber jetzt habe ich echt keinen Bock mehr darauf.
Heute hatte ich den ganzen Tag draußen in dem kleinen Cafe gesessen, mir Omletts, Spiegeleier, Fladenbrot und Chai machen lassen. Nebenbei habe ich Süßigkeiten geknabbert, mich unterhalten, in die Ferne geblickt und gefaulenzt. Es kamen auch ein paar Leute vorbei, mit denen ich mich unterhielt. Lustig war, daß der eine seine Klopapierrolle vorne am Gürtel hängen hatte. Die meiste Zeit war es bewölkt und ich konnte wieder nicht den Sonnenuntergang sehen.
Wenn ich morgen keine Folgeschäden vom Qualm habe, will ich hoch nach Triund und auf der Höhe entlangwandern. Ein paar Leute, die oben waren sagten, es hätte ihnen trotz der Wolken gut gefallen. Der Cafe-Besitzer erzählte mir, daß er neben seinem Häuschen einen kleinen Tempel bauen will, wenn er genug Geld dafür zusammen hat. Außerdem will er seinen Weg verbessern und eventuell woanders einen neuen bauen, der weiter in die Berge führt. Er würde auch gerne ein kleines Haus in besserer Qualität bauen, als diese Hütte. Dort soll jeder drin schlafen können und selber entscheiden, wieviel er dafür bezahlt. Er glaubt, daß es besonders gut für das Karma ist, wenn man Straßen und Tempel baut oder Wasser zu den Menschen bringt. Er hat nicht das Geld, um solche Arbeiten mit Spenden zu unterstützen, also muß er durch eigene Arbeit für sein gutes Karma sorgen.



Mcleod Ganj bei Dharamsala, 18. Dezember 2000

Es ist Mittag und ich sitze bei etwas Sonnenschein im Cafe Magic View bei munterer Hindi-Musik. Eigentlich wollte ich heute nach Triund und auf der Höhe entlangwandern, aber als ich mein Zeug fertig gepackt hatte, kam gerade die Frau vom Cafe-Besitzer, die ich vor 3 Tagen schon einmal bei sich zu Hause sah. Sie freute sich, mich wiederzusehen und wollte, daß ich noch einen Tag länger bleibe, da sie sonst so alleine ist. Sie hatte mir einen kleinen Topf voll Reis und Soße mitgebracht, das vorzüglich schmeckte. Nun ja, was soll ich sagen - jetzt sitze ich heute doch wieder nur rum.

* * *

Erneut sitze ich abends in der Hütte und habe ein Feuer gemacht. Doch diesmal habe ich gleich am Anfang für halbwegs vernünftige Durchlüftung gesorgt und das Holz viel kleiner gehackt. Die ganze Zeit bin ich dabei, weiteres Holz aufzulegen, brennendes umzusortieren und in der Glut zu stochern. Nebenbei habe ich mir in einer alten Blechkanne zwei mal Chai gekocht, der auch ganz gut geschmeckte. Die Frau hatte mir gezeigt, wie das geht und mir eine ganze Menge Zutaten für die Nacht gegeben.
Heute war wieder nicht viel los und es ist nur 3 mal jemand vorbeigekommen. Liegt warscheinlich nicht nur an der Jahreszeit, sondern auch am bewölkten Wetter. Es war etwas amüsant, daß die Frau so klein war, daß ihre Augen etwa auf Höhe meines Bauchnabels waren, was mir bei ihr zu Hause nicht so auffiel, weil sie dort die ganze Zeit nur aus der Bettdecke hervorlunzte. Ich übte mit ihr das Zählen von 11-30 und ein paar andere Hindi-Wörter.
Heute bin ich zu den 2 Steinhütten runtergegangen, die hier ganz in der Nähe stehen. Sie bestehen nur aus großen und kleinen aufeinandergestapelten flachen Steinen. Außer beim Dach, da sind ein paar faustdicke Baumstämme eingebaut, auf denen die Steine liegen. An einigen Stellen der Hauswand klebt getrockneter Tierkoht, der wohl als Dämmung wirken soll. Drinnen liegt an einer Stelle Stroh, was sicherlich als Schlafplatz dient und gegenüber ist eine kleine Feuerstelle.
Die beiden Hütten haben jeweils 2 Etagen, die so hoch sind, daß es bequem möglich ist, drin zu hocken. Bei einem Häuschen ist die Tür mit vielen Steinen verrammelt. So verschließt man also in der Wildnis sein Haus. Rundherum auf dem Hügel liegen überall erbsengroße Kackekügelchen zwischen den Felsbrocken. Ansonsten besteht der Boden aus einer etwa 10 cm dicken Schicht zersetzter Ausscheidung, auf der etwas Gras wächst. Mein Opa würde sich freuen, so guten Dünger in seinem Garten zu haben, aber ich glaube, ich schleppe schon genug Zeug mit mir rum. Alles zusammen etwa 23 Kilo.
Ein Inder, der heute vorbeikam, erzählte mir, daß die Hütten ein Schäfer baute, der mit seiner großen Herde alle paar Wochen weiterzieht, wenn das Gras abgefressen ist. Deshalb ist es sicher kein Problem, einfach so ein paar Tage durch die Berge zu reisen und in solchen Hütten zu schlafen. Man muß nur alles überlebenswichtige dabei haben.
Gerade eben habe ich mein letztes Holz aufgelegt und die restlichen Chai-Zutaten gekocht. Meine Hände waren ziemlich schmutzig. Zwar nicht so, wie ein Schornsteinfeger, aber ganz gewiß wie bei einem Kohlenträger. Da ich nicht mehr viel Wasser hatte, hatte ich eine etwas extravagante Idee. Ich steckte mir draußen meine Taschenlampe in den Mund, zog mir die Hose runter und pinkelte mit weit gespreizten Beinen auf die Hände. Angesichts dessen, daß ich 1 1/2 Liter Chai trank, war genug Zeit, um sie mir kräftig zu schrubben, bis sie fast porentief rein weiß schimmerten. Anschließend spülte ich meine Hände in einer Schale mit ein wenig Wasser. Nun sind sie wieder sauber und riechen auch kein bischen. Das ist sicherlich nicht jedermanns Sache, aber die Methode funktioniert ganz gut.
Mitlerweile ist es schon wieder nach 23 Uhr, vom Feuer ist nur noch etwas Glut übrig, die Taschenlampe leuchtet nicht mehr so stark und die letzte Kerze ist bald aufgebraucht. Aber ich habe noch 3 der dünnen Fladenbrotteile, die Chapati heißen und ein paar Kekse übrig. Ich habe nach dem ganzen Postkarten schreiben nur noch eine unbeschriebene Karte übrig und mein Schreibblock liegt im Kloster. Mein Tagebuch nähert sich dem Ende, aber ein paar Tage müßte es noch reichen. Bin ja überrascht, wie schnell ich das Teil vollkriege. Da hier Internet auf 50 Rupie runtergehandelt immer noch sehr teuer ist, werde ich demnächst ein paar Tage nach Delhi fahren, um die vielen Seiten abzuschreiben. Dort kostet es nämlich nur 10-20 Rs die Stunde, was natürlich ein großer Unterschied ist. Ich freue mich jetzt schon auf die viele Schreiberei, aber ich denke mir, daß sich das lohnt.
Irgendwie gefällt es mir hier oben und ich weiß nicht genau, ob ich übermorgen weiterfahre oder noch etwas bleibe. Einerseits will ich da bleiben, wo es mir gefällt, anderseits möchte ich eine Menge sehen und es gibt sicher viele schöne Plätze. Mal sehen.



Rezept, wie man Chai macht :

- Wasser im Topf kochen
- Massala reinschmeißen (ein Gewürz ähnlich Zimt)
- ein bischen zerstampfte Ingwer-Knolle dazu
- schwarzen Tee reinschmeißen
- nach 1-2 Minuten auch Zucker und Milch dazugeben
    (etwa halb wie Wasser im Topf ist)
- umrühren
- kurz darauf alles durch ein Sieb in ein Glas oder ein Kännchen kippen
- den fertigen Chai heiß schlürfen.

Meistens wird der Chai in Indien in purer Milch bei maximaler Flamme gekocht. Dann aber aufpassen, denn die Milch schämt ständig auf. Dagegen einfach den Topf schnell in der Luft auf und ab schwenken.
Wieder sage ich: Viel Spaß beim experimentieren ...



Mcleod Ganj bei Dharamsala, 19. Dezember 2000

Morgens halb sieben wachte ich auf. Ich war noch müde und hatte erst 4 Stunden geschlafen. Am liebsten wollte ich die Augen wieder zumachen und weiterschlafen, aber ich dachte mir, daß es eine gute Zeit wäre, um auf den Berg hoch nach Triund zu laufen, um den Sonnenaufgang zu sehen. Auf dem Weg kam ich an ein paar kleinen Felsenhöhlen vorbei, in denen sich eine Feuerstelle befand. Nach einer Stunde war ich oben. Da in ca. 2850 m Höhe die Sonne wesentlich eher aufgeht, stand sie schon weit am Himmel. Nun konnte ich auch die verschneiten Berge sehen, die sich auf der Rückseite befanden. Ich sah, daß es auf diesem Berg ein Stückchen weiter auch noch mal ziemlich hoch ging. Auf der Spitze stand ein kleiner Hindu-Tempel. Da es dorthin keinen Weg mehr gab, bin ich den steilen Hang mit vielen Bäumen und Felsbrocken hochgeklettert. Es war ziemlich anstrengend und wenn ich an einigen Stellen neben mir in die Tiefen blicken konnte, dachte ich, daß ich Matschbrei sein würde, wenn ich abrutsche. Auf der Spitze in ca. 3200 Metern hatte ich einen genialen Ausblick. Ich konnte über die untere graue Schicht der Athmosphäre hinwegsehen und erblickte weit weit weg am Horizont einige Bergspitzen, die wie Inseln aus dem Meer ragten. Auch sah ich, wie unter mir ein paar Wolken vorbeiflogen. Zwar habe ich ein paar Fotos gemacht, aber den Panorama-Ausblick und die riesigen Dimensionen kann man gar nicht richtig festhalten, sondern nur erleben. Bäume gibt es dort oben nicht mehr und in einer Felsspalte fand ich Schnee. Im Vergleich zu etwas höheren Nachbarberg mußte ich mich etwa an der Schneegrenze befinden.
Nach einer Weile stieg ich wieder ab und lief runter zum Magic View Cafe. Bei einem Chai-Verkäufer auf dem Weg trank ich eine kleine Flasche Litschi-Saft, die zwar überteuert war, aber da ich am frühen Nachmittag der einzige war, der heute vorbeikam, gab ich ihm gerne das Geld, damit er überhaupt was verdient. Weiter unten im Cafe aß ich ein Omlett-Sandwich, packte meine Sachen und machte die Hütte wieder sauber, in der ich 3 Nächte lang schlief. Ich gab dem Besitzer dafür 240 Rupie und spendete 50 Rs für seinen Tempel, den er nebenan anfing zu bauen. Aus Tollpatschigkeit schlug ich beim Holzhacken in den letzten Tagen mehrmach auf den Steinboden, sodaß die Axt nun ziemlich ramponiert ist. Ich gab ihm die 150 Rupie für eine neue und ging zurück nach Mcleod Ganj, was in 1700 m Höhe liegt.
Dort bei Dunkelheit angekommen, sah ich viele mit Lichterketten und Kerzen geschmückte Häuser, aber verwunderlicherweise feierte niemand. Ein Tibeter, den ich fragte, sagte es sei zu Ehren des Dalai Lama und morgen wäre ein besonderer Tag. Der Dalai Lama ist das weise Oberhaupt der tibetischen Mönche, der nach seinem Tod immer wiedergeboren wird. Bevor er stirbt, gibt er einige Hinweise, wo man ihn in der weiten Welt findet und dann gehen die Mönche auf die Suche nach dem Kind. Vor einigen Jahren wurde er für seine Arbeit mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. So gut und schön das auch ist, war es trotzdem genug für den Tag und ich ging ins Kloster, um mich schlafen zu legen.



Mcleod Ganj bei Dharamsala, 20. Dezember 2000

Ich sitze in einem kleinen tibetischen Restaurant, das auf einem Fußweg zwischen Mcleod Ganj und Dharamsala liegt. Warscheinlich ist es deshalb viel billiger, weil hier nur wenige Touristen vorbeikommen. Heute morgen war ic auf der Post, die jetzt nach einem zweiwöchigem Streik wieder geöffnet ist. Über eine Stunde dauerte es, bis ich dran war. Briefmarken für Briefe nach Europa kosten 15 Rs und Postkarten 10 Rs. Danach kaufte ich mir ein Kilo Erbsen und 10 Bananen. Auf einer Treppe aß ich dann mein 'Frühstück' und beobachtete die vorbeilaufenden Menschen. Einige Meter weiter war eine Telefonleitung gerissen. Es kamen 2 Männer, um sie zu reparieren. Mit einer Kneifzange und etwas Klebeband hatten sie das wieder geflickt, indem sie die 2 Enden der Leitung verknotet und die etwa 20 Drähte da drinnen zusammengeknotet haben. Ein bischen Klebeband drum, damit kein Regenwasser drankommt und fertig.
Im Restaurant habe ich mein Nudelgericht mit Stäbchen gegessen, was nicht ganz einfach war, aber es hat halbwegs geklappt. Dazu trank ich einen Tee mir Honig und Zitrone und 2 mal schwarzen Tee für zusammen 37 Rupie. Danach ging ich in das tibetanische Museum. Es war nicht sehr groß. Die ganzen goldenen Figuren haben mich nicht besonders beeindruckt, aber es gab schöne Fotos zu sehen.
Als ich am Nachmittag durch die Gegend lief, war die Sonne ziemlich tief und in ihrem warmen Farbton konnte ich ein paar schöne Fotos machen. Den Friedhof St. John in the wilderness fand ich etwas langweilig. Nach dessen Besichtigung aß in im Nachbarort Lower Dharamsala was und stoppte einen Jeep, der mich für 5 Rs wieder zurück nach Mcleod Ganj nahm. Da der Jeep schon vollgestopft war mit irgendwelchen Leuten, habe ich mich einfach auf das Trittbrett gestellt und mich am Dachgitter festgehalten. In Deutschland ist das verboten, in Indien aber ganz normal. In einigen Kurven neigte sich der Jeep bei seiner hohen Geschwindigkeit stark in meine Richtung, sodaß ich das Gefühl hatte, er kippt fast um und fällt auf mich drauf. Ausserdem hielt der Fahrer es nicht für so wichtig, bei Autos, Bäumen und Häusern etwas Abstand zu halten.
In Mcleod Ganj war es bereits dunkel und überall brannte bunte Lichterketten, viele viele Kerzen entlang der Straßen und Fenster. Es sah alles sehr schön aus. Ich benutzte meinen 1600er Film, um Häuser und Menschen zu fotografieren, dessen Gesichter im Kerzenlicht strahlten. Im Kloster angekommen, ging ich in den Tempel. Dort saßen alle Mönche beisammen und sangen Lieder in tiefen Tönen. Zwischendurch spielten einige mit ihren Instrumenten, während andere von den Früchten und Süßigkeiten aßen, die sie auf einem Teller überreicht bekamen. Zwar hatte ich nur noch die letzte halbe Stunde der Zeremonie gesehen, aber es gefiel mir.
Anschließend unterhielt ich mich eine Weile mit 2 Mönchen. Heute ist der Geburts- und Sterbetag des Begründers der buddhistischen Religion. Mehr konnte man mir nicht erklähren, da die Mönche nicht viel Englisch konnten. Trotzdem war unsere Kommunikation ziemlich spaßig und draußen sangen die Mönche noch eine ganze Weile lang fröhliche Lieder. Nun schlafe ich das letzte mal im Kloster. Morgen fahre ich nach Amritsar zum goldenen Tempel der Sikhs.



Amritsar, 22. Dezember 2000

Morgens halb sieben sitzte ich in meinem Schlafsack auf dem Gelände des Goldenen Tempels zwischen den Pilgern, die auch hier geschlafen haben. Die ruhige Musik der Sikhs spielt und es ist noch dunkel. Ich schaue unter den Arkaden hervor, die sich um den quadratischen See herum befinden, in dessen Mitte der goldene Tempel auf einer kleinen Insel steht. Die gesamte Anlage ist wie ein Palast und ziemlich beeindruckend. Die Eingänge in alle 4 Himmelsrichtungen sollen die Weltoffenheit der Sikhs gegenüber allen Menschen darstellen, egal welcher Religion sie angehören. An den Toren halten einige Wache, während andere mit Turban, Dolch und Lanze Runden um ihr Heiligtum laufen.
Schuhe und Strümpfe mußte ich abgeben und ein Tuch auf meinen Kopf binden, bevor ich reindurfte. In der Pilgerküche setzte ich mich mich an das Ende der Menschenreihe auf den Boden.Es kamen Männer, die Teller, Löffel und Trinkschalen verteilten, die dann mit Dahl (ein Gemüsebrei) und Wasser gefüllt wurden. Andere verteilten Shapatis (eierkuchenförmige flache Fladenbrote). Um eins zu erhalten, muß man seine Hände wie eine Schale hinhalten, wo das Shapati draufgeworfen wird.
Als ich gestern abend beim Tempel ankam, lagen viele Pilger unter den Arkaden und haben geschlafen. Da es nichts kostet, habe ich mich einfach dazugelegt und meinen Rucksack in der Gepäckabgabe vom Bahnhof gelassen. Gegen 3 Uhr wurde ich durch einen Wächter geweckt. Es solle keiner mehr schlafend rumliegen, allerdings durfte ich in einem der angrenzenden Räume unter den Arkaden weiterschlafen. Kurze zeit, nachdem ich mich wieder hingelegt hatte, spührte ich, daß einer an meinen Füßen rumfummelt. Ich wußte nicht was das soll, aber es war ein angenehmes Kribbeln und so ließ ich ihn weitermachen.
Gegen 6 Uhr wurde ich wieder durch einen Wächter geweckt. Als er weg war, legten sich die anderen Pilger wieder hin und ich tat es ebenso. Etwa eine Stunde später wurde ich erneut geweckt. Es war ziemlich nervig, aber ich blieb dann wach. Dafür konnte ich die Morgendämmerung und den Sonnenaufgang sehen. Dann stellte ich festdaß die Sau in der Nacht an meinen Füßen ein Loch in meinen Schlafsack gerissen hatte, um mir das Zeug zu klauen, was ich bei mir hatte. Ansonsten wäre vielleicht meine Kamera weg.



Amritsar, 23. Dezember 2000

Es ist Abend und seit vielen Stunden sitzte ich in einem Internet-Cafe bei heiterer Hindi-Musik. Alles ziemlich langsam hier und gmx kann ich vergessen, da ich ständig die Fehlermeldung 'Keine Verbindung zur Mailbox' bekomme. Deshalb habe ich jetzt eine bei hotmail eingerichtet.
Eigentlich hatte ich vor, gestern nach Delhi zu fahren, aber hier gefällt es mir ganz gut. Ich komme günstig ins Netz, um mein Tagebuch zu aktualisieren und brauche nichts für Essen und schlafen bezahlen.
Gestern setzte ich mich nachdem ich gegessen hatte wieder unter die Arkaden und beobachtete die Leute. Viele von ihnen hatten wohl ihre besten Kleider angezogen. Einige von ihnen knieten sich hin und berührten mit Lippen oder Stirn den Boden. Andere zogen sich bis auf ihre etwas eigenartigen Unterhosen aus, um ein Bad im heiligen Wasser des Sees zu nehmen. Ich wunderte mich, daß nur Männer hineingingen. Später stellte ich fest, wozu die Blechbaracken an zwei Stellen der Ghats (Treppenstufen, die ins Wasser führen) da sind. Diese stehen deshalb da, damit Frauen darin ein Bad nehmen können, ohne gesehen zu werden.
Mehrfach deuteten Leute auf mein Piecing und fragten mich, was das ist und ob das richtig durch die Lippe geht. Andere wollten, daß ich mich mit zu ihnen stelle, um ein Foto zu machen. Die häufigste Frage war, aus welchem, Land ich komme und man bedankte sich bei mir für das Gespäch.
In dem Museum des Tempels waren viele Bilder und einige Waffen aus der Geschichte der Sikhs zu sehen. Schlachten im Kampf mit den Moslems, tragische Ereignisse der indischen Geschichte und berühmte Persönlichkeiten. Ein Besucher erzählte mir etwas über die Hintergründe.
In der Stadt wurde ich ständig von Rikshafahrern und Verkäufern angesprochen, was mich aber nicht weiter störte. Auf einem kleinen Wagen stand eine Maschine, mit der 2 Männer Saft aus Bambusstöcken preßten, den sie mit Zucker, Salz und Zitronensaft gemischt für nur 3 Rupie in großen Gläsern verkauften. Ich trank ein Glas und es schmeckte mir so gut, daß ich mir ein zweites kaufte. Das war dann aber etwas viel und ich hatte das Gefühl, eventuell kotzen zu müssen, was sich dann aber wieder gab.
In einer Bank wollte ich einen Travellerscheck wechseln, was in dieser aber nicht möglich war. Man fragte mich, ob ich einen Chai will, was ich natürlich nicht ablehnte. Es dauerte ewig, bis er von einem Chai-Verkäfer gebracht wurde, aber in Indien spielt Zeit keine so große Rolle. Man schaute mich immer wieder an und eine Bankangestellte wollte wissen, ob ich Mann oder Frau bin. Ich bedankte mich für den Tee und ging weiter.
Einem Schneider gab ich meinen Schlafsack, um das Loch zu nähen. Als nach dem Preis fragte, wollte er gar kein Geld haben. Als ich ihm dann 5 Rupie un die Hand drückte, wollte er es erst nicht annehmen, aber ich bestand drauf.
Auf der weiteren Suche nach einem anderen Internetcafe als das für 50 Rs am Goldenen Tempel hatte ich nirgendwo was gefunden. Auf einem großen Plakat sah ich dann Werbung für ein solches, aber keiner der mich umringenden Rikshafahrer wußte, wo das ist (oder konnte es nicht lesen ?), bis dann einer kam, der mich dort mit hinnehmen konnte. Der Aufwand hatte sich gelohnt, denn hier zahle ich nur die Hälfte.
Abends holte ich meinen Rucksack vom Bahnhof und gab ihn kostenlos am Goldenen Tempel in Verwahrung. Den Sikh aus dieser Gepäckaufbewahrung traf ich nach dem essen wieder und wir unterhielten uns etwas. Er wohnt in Amritsar und arbeitet als einer der vielen Freiwilligen im Tempel. Als ich fragte, ob er jetzt Feierabend hat, sagte er, daß er bis morgen 10 Uhr zu tun hat. Er mußte dann aber weitergehen, um mit ein paar anderen den Tempel zu säubert. Dieser wird täglich mit Milch geschrubbt, dann mit Wasser gewaschen und anschließend mit Tüchern poliert.
Die Nacht schlief ich im angrenzenden Pilgerheim, was mich nichts kostete und ich wurde auch nicht geweckt. So schlief ich bis um neun und half nach dem Essen in der Freiwilligenküche mit, Erbsen und Knoblauch zu schälen. Man verstand erst nicht, daß mithelfen wollte und zeigte mir, wo es das Essen gibt. Als ich jemand gefunden hatte, der etwas Englisch konnte und ihm mein Anliegen erklärte, war man sehr erfreut. Man erzählte mir beim schälen eine Menge auf Hindi, was ich nicht verstand. Ich nickte, lächelte und sagte ab und zu auf englisch, daß ich leider nichts verstehe, aber sie sprachen weiter.
Ein Wächter wollte mein Taschenmesser sehen, was ich benutzte und machte begeistert alles raus, war dran war. Besonders entzückt war er über die kleine Schere. Man diskutierte und betrachtete es eine ganze Weile und gab es mir dankend zurück, was ich ganz amüsant fand.
In der Stadt war ich bei 3 Banken, bis ich meinen Travellerscheck einlösen konnte. Vor und in den Banken standen Männer mit Schrotflinte und Patronengürtel. Das war wie im Westernfilm.
Ich fragte einen Rikshafahrer, ob er weiß, wo das Internetcafe ist. Dieser sagte ja und wollte mich für 10 Rs hinbringen. Doch stattdessen fuhr er kreuz und quer durch die Stadt und fragte lauter Leute, die den Kopf schüttelten oder in verschiedene Richtung zeigten. Nach etwa einer Stunde kamen wir endlich an und er wollte doppelt so viel Geld haben, weil er so lange gefahren ist, was ich ihm nach einigem diskutieren gab.



Amritsar, 25. Dezember 2000

Es ist nachts halb vier und ich liege im Pilgerheim des Goldenen Tempel. Gestern und heute war ich von Mittag bis Mitternacht im Internet-Cafe und schrieb mein Tagebuch ab. Oft habe ich mich dabei jedoch verleiten lassen, auf andere Seiten im Netz zu schauen, mails und in Gästebücher zu schreiben. Es ist zielmlich anstrengend, ständig nur Text abzuschreiben und man das Gefühl hat, daß die verbleibenden Seiten nicht weniger werden.
Zwischendurch kam ein Junge, der vorgestern schon da war. Er fragte mich alle möglichen Sachen und war besonders scharf drauf, zu erfahren, ob ich schon mal was mit einer Frau gehabt hätte. Er ging zwischendurch kurz weg und brachte mir eine Tüte Chips und ein Glas Chai. Er wollte meine Homepage sehen und hatte 1000 Fragen zu den Frauen auf den Fotos. Wie sie heißen, wie alt sie sind, wo sie wohnen, ob sie immer so angezogen sind, ob sie zur Schule gehen, was ihre Eltern arbeiten und ob ich mit ihnen geschlafen hätte. Er sagte, daß er für mich betet, weil ich so viel am Computer arbeiten muß.
Durch das Fenster sah ich den Tag über Leute, die den Nachbarhof schmückten und ein langes Büfett aufbauten. Später wurde da gefeiert und gegessen. Ich überlegte, ob ich heute eher gehe, um noch ein wenig durch die Stadt zu bummeln, aber dann war es schon wieder kurz vor zwölf. Ich beendete meine Arbeit und kaufte dem Cafe-Besitzer die MP3-CD mit schönen Hindi-Liedern für 250 Rs ab, die er die ganze Zeit laufen hatte.
Nachdem ich raus auf die Straße ging und durch das Tor in den Nachbarhof schaute, kamen gleich ein paar Leute an, die mich mit den Worten You want to make party ?!! aufforderten reinzukommen. Diese geschah in der Form, daß sie mich kräftig an den Armen zogen und von hinten schoben, bis ich am anderen Ende des großen Hofes auf der Tanzfläche stand. Kurz nachdem ich anfing zu tanzen, rüttelten ein paar Männer an mir herum, damit ich sie nachahme. Sie hatten matschomäßige triumphierende Posen, die aber ganz lustig wirkten und ich versuchte es ebenso. Das eine Bein vorgestellt, die Knie auseinander und zusammengeschwungen, mit Hüfte und Schultern wackeln und mit dem ausgestreckten Zeigefinger über dem Kopf Kreise drehen. Ist bloß etwas schwierig, wenn mehrere Leute gleichzeitig meine Aufmerksamkeit verlangen.
Die anwesenden Leute lachten. Kurz darauf kam einer, der mich von der Tänzfläche zog und sagte ich solle gehen. Einige fingen an, mit ihm laut zu diskutieren und ein anderer schleppte mich zum riesigen Büfett, wo ich mich bedienen sollte. Massig Kinder umschwärmten mich, hielten mir Essen unter die Nase, stellten die üblichen Fragen und fummelten an mir rum. Einige von ihnen schmissen Essen auf den Boden und etwas Gemüse landete in meinem Gesicht. Einer vom Catering schrie mich an, ich solle ihm Geld geben und ein anderer winkte, ich solle ihn nicht beachten. Man bettelte mich an, wieder auf die Tanzfläche zu kommen. Der Mann, der mich vorher wegschicke, wollte auf einmal mit mir tanzen. Ein paar Frauen kreischten, klatschten und zeigten, daß es ihnen gefällt. So in etwa ging es die ganze Zeit weiter.
Es waren etwa 150 Leute in feiner Kleidung da, die angeblich alle zur Familie gehören. Es hatte eine große Hochzeitsfeier stattgefunden, von der ich lieber nicht wissen will, wieviel sie gekostet hat. Dem Bräutigam hing eine riesige Girlande aus Geldscheinen um den Hals und ein anderer hatte ein dickes Bündel Geldscheine in der Hand, das er nach und nach in die Luft schmiß. Die Musik war megalaut und es gab immerfort sprunghafte Übergänge zu völlig unpassenden Liedern, die überhaupt nicht zusammenpaßten. Es liefen 2 Kameramänner rum und ein Fotograf schoß eifrig Bilder. Als ich dann auch ein paar Fotos machte, wollten einige ständig zusammen mit anderen Leuten fotografiert werden, die teilweise nicht garnicht wollten. Immerfort sprangen mir die nervigen Kinder vor der Linse rum und einer fand es ziemlich lustig auf meine Kamera draufzuhauen. Am liebsten hätte ich ihm dafür eine gescheuert, wußte aber nicht, wie die Erwachsenen darauf reagieren würden. Ich packte die Kamera vorsichtshalber wieder ein.
Ein Mann, der mich 3 mal auf die Tanzfläche schleppte sagte, daß ich doch sicherlich eine Frau sei. Als ich dem widersprach, meinte er, ich hätte sein Herz gebrochen. Verheiratet ist er nicht, hat aber 4 Freundinnen und wollte mich als fünfte haben. Um seine Trauer zu vergessen mußte ich wieder mit auf die Tanzfläche. Die Frauen, zu denen ich mich setzen sollte, fragten mich, ob ich verheiratet bin. Ich sagte, daß ich nicht heiraten will. Sie fragten, ob ich mir denn nicht wünsche, mit einer Frau zusammen zu sein und als ich antwortete, schon mit mehreren Frauen was gehabt zu haben, wurde ich erst einmal beschimpfend davongescheucht. Viel Zeit zum überlegen, was ich lieber nicht sagen solle, blieb mir nicht, weil sich der nächste mit mir unterhalten wollte. Es stellte mir seine Schwester vor, den Mann seiner anderen Schwester, von dem die Großmutter und ihre Enkel. Man forderte mich plötzlich lautstark auf, ich solle aufstehen und woanders hingehen, wurde aber vom Mann mit den vielen Geschwistern wieder auf den Stuhl runtergedrückt. So ging das bunte Treiben noch eine ganze Weile weiter, bis gegen halb drei die Party vorbei war und ich etwas geschafft mit einer Riksha zurück zum goldenen Tempel fuhr.



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Mein 2. Tagebuch ist spurlos verschwunden. Warscheinlich wurde es mir in einem Restaurant aus der Tasche geklaut. Ich verlor die Motivation zum schreiben, habe mich aber wieder zusammengerappelt.
Also dann bin ich wieder fleissig am schreiben und werde auch weiter alles in Netz übertragen.
Wenn mir das Geld nicht ganz ausgeht - bin nämlich ziemlich Pleite ...



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Bundi, 7. Januar 2001

Halb neun stand ich auf, frühstückte mit Raj, dem Guest House-Besitzer und fuhr mit ihm auf seinem Moped in Stadt und Umgebung herrum. Wir fuhren zu einer Tankstelle, wo er genau einen Liter für 30 Rupie tankte, und dann weiter zu einem riesigen historischen water tank, in dem breite Treppenstufen tief hinab in den Boden führen. An den Wänden sind Reliefs von Göttern und Elefanten in den Stein geschlagen. Während des Monsuns füllt sich dieses Wasserresevoir randvoll, wovon in den restlichen Monaten ein Teil der Stadt versorgt wird. Weiterhin sah ich ein kleines Schlößchen am Rand eines Sees, von dem weite Flächen mit Seerosen bedeckt sind. Wir fuhren zur Tourist Registration Office, wo ich die Begeisterung des Tages war und man mich gar nicht mehr weglassen wollte. Anschließend ging es durch die Gassen der Altstadt. Wir drängelten uns zwischen Fahrrädern und Menschen hindurch und rammten einmal eine Kuh, die plötzlich im Weg stand. Bei allen möglichen Bekannten hielt Raj an, um seinen Gast vorzustellen. Gelegentlcih gab es dann einen Chai, frisch gepreßten Karottensaft oder meinen ersten Cappucino in Indien.
Nachmittag waren wir auf einer Hochzeit, wo sich die gesamte Verwandschaft anhäufte. Die Männer saßen beim Bräutigam, der von vielen Geschenken und Speisen umgeben auf einem edlen Kissen saß, während die Frauen ein Stück weiter alle beisammen saßen. Mit orange schillerndem Turban und Blumenkränzen geschmückt brachte er jedoch kein Lächeln über seine Lippen, sondern schaute nur fassungslos umher. Ein alter Mann neben ihm murmelte die ganze Zeit etwas vor sich hin, malte ihm einen roten Klecks auf Stirn und Hals, wo anschließend einige Reiskörner drangeklebt wurden. Die ganze Zeit überlegte ich, wo denn nun die Frau ist. Als ich jemanden fragte, erklärte man mir, daß das nicht die eigentliche Heirat ist, sondern die Familie der Frau bittet mit diesem Fest und zahlreichen Geschenken an die Familienmitglieder des Mannes darum, daß dieser die Tochter zur Frau nimmt. Die Hochzeit ist in 2 Wochen und diese Feier dauert 5 Tage. Nach Übergabe der Geschenke und dem verzehren der Süßigkeiten, die alle Anwesenden mit einem Chai serviert bekamen, löste sich die Versammlung wieder auf. Von den Affen, die die ganze Zeit auf den Dächern ringsumher zuschauten, rannte plötzlich einer zwischen den Leuten hindurch, schnappte sich schnell mit gezieltem Griff etwas zum Essen, sprang auf das benachbarte Dach und futterte in Seelenruhe seine Beute. Eine Frau hatte kurz geschrien aber andere haben nur gelacht. Man hielt den Affen einige Teller mit übriggebliebenem Essen entgegen, was diese gerne annahmen, sich in den Mund stopften und die Krümel von den Fingern leckten.
Raj schleppte mich zu einigen weiteren Freunden, wir fuhren mit dem Moped durch die Gegend und gingen abends in eine kleine Tempelanlage, wo sich die Leute von der Feier wieder versammelt hatten. Wir setzten uns auf einen der schmalen langen Teppige auf den Boden und bekamen Teller und Schälchen aus Blättern, die mit streichholzgroßen Hölzchen zusammengeheftet waren. Es gab Dhal, Gemüse, Reis, gerösteten Teig und Süßigkeiten. Nachdem ich vollgegessen war, fuhren wir zum Hotel, da ich halb zehn beim Bus nach Ujjain sein wollte.
Ich bezahlte meine Hotelrechnung und gab 200 Rupie drauf, weil ich den ganzen Nachmittag herrumgefahren wurde und die vergangenen 2 Tage viel Spaß hatte. Raj bedankte sich dafür mehrfach. Zum Abschied malte er mir einen roten Klecks auf Stirn und Hals, klebte Reiskörner drauf und hängte mir eine dicke bunte Blumengirlande um. Das zeige mir seine Freundschaft und bringe Glück. Ein Cousin, der Riksha-Fahrer, brachte uns zum Busbahnhof, wo ich vor der Abfahrt noch mal einen Chai spendiert bekam.

* * *

In Bundi hat es mir viel besser gefallen, da ich hier nicht wie in Pushkar ständig von Leuten angequatscht wurde, die sich überfreundlich stellten, um mir auf irgendeine Weise Geld zu entlocken. Hier haben sich die Leute wirklich gefreut, mit mir zu sprechen ohne das gleich mit einem Geschäft zu verbinden. Wenn ich sagte, daß ich was nicht will, akzeptierte man das und versuchte mich nicht mit irgendwelchen Sprüchen zu überzeugen. Da Bundi nicht mit Touristenschaaren überhäuft ist, sieht man wie die Inder wirklich sind. Man merkt, es ist eine ganz andere Athmosphäre.



Ujjain, 8. Januar 2001

Es ist morgens halb neun und ich sitze auf den Stufen des Ram Ghat am Shipra River. Gerade eben, als ich 2 Chai schlürfte, sah ich die Sonne am Horizont emporsteigen. Auf dem Weg hierher gab der Reihe an obdachlosen Bettlern ein paar Süßigkeiten und streichelte 2 Hunde, die an meinem Bein schmusten. Vor 2 Stunden kam ich mit dem Bus in Ujjain an. Es war nicht die bequemste Möglichkeit der Übernachtung, denn auf der 9-stündigen Fahrt ging es über eine katastrophale Straße mit unzähligen Schlaglöchern, die zum Teil gar keinen Asphalt hatte. Wären bei einem deutschen Bus schon längst die Achsen gebrochen und die Räder abgefallen, so raste der indische Bus mit Vollgas durch das flache Land, als wäre er ein unverwüstlicher Panzer.
Auf der letzten Bankreihe sitzend hüpfte ich ständig auf und ab. Manchmal mit so viel Schwung, daß ich nach einer Sekunde lang frei in der schwebend mit einem mächtigen rums wieder auf meinen mäßig gepolsterten Schlafplatz klatschte. Meine Knie schlugen aneinander, mein ganzer Körper wibrierte und das Gesicht fing an zu jucken, als ob mich jemand mit eine Haarsträhne krabbelt. Wenigsten hat der Bus nicht an allen Ecken und Enden geklappert und die Fenster öffneten sich nicht selbstständig, wie es in anderen Bussen oft vorkommt.

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Während ich den bisherigen Text schrieb, stiegen am gegenüberliegenden Ufer 2 Frauen ins leicht gewellte Wasser, in dem sich ihre Körper vor dem Blau des Himmels wiederspiegelten. Als ich von diesem voll schönen Bild ein Foto machen wollte, stellte ich fest, daß bei meiner Kamera die Scharfstellung im Arsch ist. Das ist ziemlich scheiße. Warscheinlich durch die holprige Busfahrt. Ich wollte es nicht wahrhaben, drehte am Zoom und schraubte das Objektiv ab, aber der Scharfstellring blieb blockiert. Einige Inder, die sich um mich herrum versammelt hatten, fanden das ganz interessant, diskutierten miteinander, tippten mich fortlaufend an und fragten mich irgendwas auf Hindi. Ich war ziemlich genervt, versuchte ihnen klar zu machen, daß die Kiste nicht mehr funktioniert und sie mich in Ruhe lassen sollen, aber das sahen sie wohl als Einladung, nach meiner Kamera zu grabschen, weil sie auch mal dran rumfummeln wollten. Ich wurde ziemlich wütend und hätte am liebsten in die Runde reingedroschen.
Ich machte mich auf den Weg in die Stadt, um ein Geschäft zu suchen, in dem es einen Kreuzschlitzschraubenzieher zu kaufen gibt. Ich wollte das Objektiv öffnen und schauen, ob sich etwas machen läßt. Vielleicht ist ja nur irgendwas verrutscht oder ausgehakt. Auf dem Weg kamen ständig Kinder und Erwachsene an, hielten mir die Hand zum Gruß entgegen und wollten mit mir reden. Man verstand gar nicht, warum ich auf die freundlich gemeinte Geste nur mit grimmigen Gesicht an ihnen vorbeimarschierte, aber das war mir egal. Ich hatte anderes in Kopf und kam wir halb erstochen vor, weil mein Liebstes genommen wurde. Schrecklich war der Gedanke, daß immer nur Schmerzen haben würde, wenn ich etwas Schönes sehe, weil ich dann an meine kaputte Kamera erinnert werde.
In der Stadt lief ich herrum und suchte ein Geschäft mit einem Kreuzschlitzschraubenzieher. Nach langem verzweifelten Suchen fand ich endlich eins, aber die Schrauben am Objektiv waren so winzig, daß ich es nicht richtig aufkriegte. Der Mann in dem Elektroladen meinte, daß er entsprechendes Werkzeug in seiner Werkstatt hat und schon öfters eine Kamera und andere Geräte reparierte. Ich ließ die Kamera da und hoffe, daß er das wieder hinkriegt. Ansonsten ist das nämlich ziemlich scheiße. Theoretisch kann ich noch halbwegs scharf fotografieren, wenn ich im Weitwinkelbereich bleibe und stark abblende. Das ist aber auch nicht das Wahre. Dabei hatte ich im Bus die Kamera extra auf dem Schoß festgehalten, damit die Stöße etwas gedämpft werden.

In den Banken sagte man mir, daß es in Ujjain nirgendwo möglich ist, Travellerschecks zu tauschen. Meinen baren 50 $-Schein konnte man auch nicht einlösen, rief aber einen privaten Geldwechsler an, der sich auf den Weg machte. Da dieser ziemlich lange brauchen würde, legten mir die Angestellten das Geld aus und wollten das mit dem Wechsler später selber klären, damit ich nicht die ganze Zeit warten brauche. Wir unterhielten uns eine Weile und man bestellte mir einen Chai. Als ich sagte, daß das in Deutschland nie möglich wäre, schrieb man mir ein Zitat auf, das aus dem Sanskript, der indischen Ursprache, stammt. Es bedeudet, daß Gäste gleich zu behandeln sind wie Gott. Man bat mich, den Zettel aufzuheben und den Spruch auswendig zu lernen.

* * *

Jetzt am Nachmittag sitze ich wieder am Ram Ghat und bin von Menschen umstellt, die mir beim schreiben zuschauen und mich anstarren. Vor mir liegen mein schwarzer Kapuzenpulli und ein paar Socken zum trocknen in der Sonne, die ich soeben zur Begeisterung vieler Leute eingeseift, auf den Steinboden geschlagen und auf indischen Weise gewaschen habe. Es ist ziemlich warm und an den Treppenstufen entlang des Flußes waschen Leute ihre Kleidung, schrubben ihre Körper, gehen baden oder sitzen einfach nur rum. Die Kleider und Saris der Frauen haben knallige Farben. Wenn sie ins Wasser gehen, sind sie meist nur in ein dünnes Tuch eingewickelt, was dann naß auf ihrer Haut klebt und sehr erotisch aussieht. Entlang des Ufers stehen überall kleine, größere und winzige Hindu-Tempel, die teilweise mit ihrer Kuppel gerade mal einen halben Meter hoch sind. Durch den leichten Wind ist das Wasser etwas gewellt, die Spiegelbilder sind verschwommen und schwarze Vögel schwimmen darin umher.
Vorhin, als ich durch die Stadt lief, freuten sich die Leute, mich vorbeispazieren zu sehen. Auf einigen Bäumen saßen riesige Schwärme grüner Papageien mit roten Köpfen, die wild durcheinander zwitscherten. In einem Laden trank ich einen Chai, man versuchte mit mir zu sprechen, aber keiner konnte richtig Englisch. Nebenbei entkernte, schälte und aß ich meine zuvor gekaufte Papaya, bekam einen zweiten Chai und als ich bezahlen wollte, meinte man, ich solle das Portemonaie wieder einstecken. Ein Mann nahm mich mit zu einen berühmten Hindu-Tempel in der Nähe, erklärte mir einiges auf Hindi und verabschiedete sich anschließend, ohne dafür Geld zu verlangen, was ich eigentlich vermutete.



Ujjain, 10. Januar 2001

Um acht klingelte der Wecker, aber trotzdem schlief ich weiter bis um elf. Ich schrieb mir ein paar der Sehenswürdigkeiten von Ujjain auf und ging zum Bahnhof, um mir Tickets zu kaufen. Nachdem ich ewig in der Warteschlange stand, was ich endlich dran. Ich wollte morgen nach Jabalpur, um mir die Marmorberge anzusehen und am Tage darauf weiter nach Allahabad zur Kumbh Mela zu fahren, dem größten Fest der Welt, was alle 12 Jahre an dem Ort stattfindet, wo sich die heiligen Flüsse Ganges und Yamuna vereinen. Doch blöderweise sind alle Züge nach Jabalpur ausgebucht und die nächste Fahrt ist erst in 3 Tagen möglich. Ich ließ mir Name und Nummer des Zuges aufschreiben und füllte einen neuen Antrag auf einen Fahrschein aus. Dabei überlegte ich, daß es von Jabalpur aus vielleicht auch Probleme gibt weiterzukommen und ich besser gleich nach Allahabad fahre. Wieder wartete ich und wartete, bis der Typ, den man gerade am Schalter bediente, fertig war mit diskutieren, sein Geld aus allen Taschen zusammengekramt hatte und sein Ticket bekam. Der Fahrscheinverkäufer winkte mir zu, ich solle durch die Tür am anderen Ende der Halle zu ihm reinkommen. Dort angekommen wollte man mir nicht aufmachen und ich lief zurück zum Schalter Nummer 1. Der Mann runzelte genervt mir der Stirn, winkte erneut, ich solle durch die Tür am anderen Ende der Halle zu ihm reinkommen und plärrte lautstark etwas über die Köpfe seiner Kollegen in Richtung Tür. Diesmal wurde sie mir geöffnet und man bat mich freundlich grüßend herrein. Ich sah das an der Glasscheibe klebende Menschengetümmel mal aus Sicht der Angestellten, lief zum Fahrkartenverkäufer und setzte mich hinter ihm auf einen freien Stuhl, da er gerade fleißig beschäftigt war. Es kam eine Frau, die fragte, was ich wolle. Ihre kurze Antwort lautete, daß viele Züge nach Allahabad fahren und ich in einer halben Stunde wiederkommen solle, da man jetzt Mittagspause macht.
Mittlerweile war 14 Uhr, mein Magen knurrte und ich beschloß, erst einmal etwas zu essen. Ich setzte mich in ein eine Art kleines Restaurant, was aber eher als Essenladen bezeichnen sollte, da es nur ein Standartessen gibt. Rechts und links im Laden standen aneinandergereihte kleine Tische, die ein bischen breiter waren wie eine Computertastatur. Um sich hinzusetzen, zieht man einfach den Tisch aus der Reihe, setzt sich auf den freien Platz zwischen die essenden Inder und dann wird der Tisch wieder in die Lücke reingeschoben. Ich bekam einen Blechteller, 4 Schälchen mit diversen Dhalsorten, ein Häufchen Salz, geschnittene Tomaten, saftige weiße Rübenstückchen, einige ölige Peperoni und Chapatis. Es schmeckte ganz gut und alle paar Minuten kam einer, der die Schälchen und Häufchen wieder auffüllte. Der Mann an der Kasse blickte ständig zu mir rüber und wenn ich mal nur noch ein halbes Chapati auf dem Teller hatte, rief er den Kellner, der sofort mit seinen Eimerchen angerannt kam und von seinem Chef zusammengeschissen wurde, weil er nicht aufgepaßt hatte und bekam einen kleinen Klatsch auf den Hinterkopf. Als ich einen Chai bestellen wollte, sagte man mir, daß es hier nur Essen gibt, aber wenn ich fertig bin, könne ich 3 Läden weiter zum Chai-Verkäufer gehen.
Ich wurde langsam satt und es kostete einiges an Überzeugung, dem Kellner klarzumachen, daß er meinen Teller nicht mehr auffüllen soll. Scheinbar wurde ich falsch verstanden, denn kurz darauf kam er mit einer mittelgroßen Schüssel Reis angerannt. Ich drehte alle meine Schüsselchen auf den Kopf, hielt die Hände schützend über den Teller, stand auf, zeigte auf meinen Bauch, sagte finish finish ready full und ging zur Kasse. Der ganze Spaß kostete gerade mal 20 Rupie.
Während ich 3 Häuser weiter einen Chai trank, kam eine alte Frau an, die einen kleinen Sack auf dem Rücken trug, wo vielleicht ihr aller Besitz drin ist. Sie bettelte mit der Geste, daß sie Hunger habe. Ich nahm sie mit zum Essenladen und gab dem Kassierer 20 Rupie, damit sie essen solle, bis sie satt ist. Der Mann ließ sie nicht in seinen Laden, wollte ihr aber eine Tüte zum mitnehmen zurechtmachen. Zurück beim Chai-Verkäufer trank ich mein angefangenes Glas aus und bestellte ein neues. Es versammelten sich einige Menschen um mich herrum und von einem, der halbwegs Englisch konnte, ließ ich mir ein paar Sachen auf Hindi beibringen. Dieser gab mir 2 weitere Chai aus und meinte nach einiger Zeit, ich solle mitkommen. Er nahm mich bei der Hand, was in Indien Freundschaft symbolisiert und wollte mit mir am Bahnhof in eine Pferdekutsche steigen. Als ich fragte, wieviel das kostet, sagte er, daß das sein Bruder ist und Geld keine Rolle spielt. In der Kutsche sitzend rief er laut um sich herrum, er sei the prince of Ujjain railway station und ich sein Freund. Wir fuhren los. ...


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